Die räumliche Ausrichtung der auf der Körperoberfläche ableitbaren, vom Herzen generierten elektrischen Phänomene kann unter Verwendung eines imaginären
Koordinatensystems beschrieben werden. Die für dieses Koordinatensystems verwendeten Achsen orientieren sich an der anatomischen Positionierung des Herzens im Thorax.
Der Begriff Achsenrotation geht auf die 1940er und 1950er Jahre zurück. Damals nahm man an, die Lage des Herzens im Thorax aus dem EKG ableiten zu können. In Wirklichkeit ist die Korrelation zwischen der elektrischen Herzachse und anatomischen Achsen aber gering.
Wenn von Achsenrotation gesprochen wird, kann zwar im Einzelfall eine Lageänderung des Herzens vorliegen, in den allermeisten Fällen handelt es
sich aber um elektrische Veränderungen, d. h. einer Änderungen der Richtung von Erregungsvektoren, ohne das die Lage des Herzens verändert ist.
Folgen Achsen werden unterschieden:
Bei Rotation im Uhrzeigersinn (von der Herzspitze aus gesehen) resultiert ein S1Q3-Typ. bei Rotation gegen den Uhrzeigersinn ein Q1S3-Typ. Der S1Q3-Typ wurde erstmals 1935 von McGinn und White bei einem Patienten mit einer Lungenembolie beschrieben.
Bei S1Q3-Typ (Rotation im Uhrzeigersinn) liegt der rechte Ventrikel mehr vorn und oben, der linke Ventrikel weiter hinten. Auffällig sind die in den Brustwandableitungen: die Übergangszone (R/S-Umschlag) verschiebt sich nach links (jenseits von V3/4). Es ergibt sich das Bild einer verlangsamten R-Progression in den Brustwandableitungen.
Folgende Differenzialdiagnosen kommen in Frage:
Bezüglich der Lage der Ventrikel ergeben sich umgekehrte Verhältnisse wie beim S1Q3-Typ (Rotation im
Gegenuhrzeigersinn). Die Übergangszone (R/S-Umschlag) verschiebt sich nach rechts (Umschlag im Bereich V2/3).
Folgende Differenzialdiagnosen kommen in Frage:
Rotation im Uhrzeigersinn: nach links (links-präkordial) verschobener R/S-Umschlag (V5) bzw. verlangsamte bzw. verzögerte R-Progression in den Brustwandableitungen.
Keine Rotation, normaler R/S-Umschlag: R/S-Umschlag im Bereich von V3/4 bzw. normale R-Progression in den Brustwandableitungen.
Rotation im Gegenuhrzeigersinn: nach rechts (rechts-präkordial) verschobener R/S-Umschlag (V2) bzw. beschleunigte R-Progression in den Brustwandableitungen.
Abb.: 71-jährige Patientin mit paroxysmalem Vorhofflimmern in der Vorgeschichte. In den Brustwandableitungen zeigt sich eine Rotation im Gegenuhrzeigersinn. Der R/S-Umschlag ist nach rechts verschoben - er liegt zwischen V2 und V3. Keine bedeutsamen S- oder Q-Zacken in den Extremitätenableitungen. Die kardiale Funktion war normal. 25 mm/s.
Die Herzspitze kippt um die Tranversalachse nach vorn oder hinten. Bei Kippung der Herzspitze nach vorn finden sich in allen 3 Extremitätenableitungen kleine bis mäßig große Q-Zacken, da sich der Vektor der septalen Erregung (normalerweise nach links und vorn gerichtet) ändert (verläuft dann nach hinten).
Bei Kippung nach hinten finden sich in allen drei Extremitätenableitungen S-Zacken, die geringer ausgeprägt sind, als beim Sagittaltyp. Als Ursache wird eine sehr späte Erregung der posterioren Anteile des linken Ventrikels diskutiert.