EKG bei Myokarditis

Auf einen Blick

Die Myokarditis ist meistens Folge einer Virusinfektion des Myokards. Schwere Verläufe im Sinne einer fulminanten Myokarditis sind eher selten. EKG-Veränderungen (u. a. ST-Hebungen und T-Wellen-Negativierungen) finden sich in über 90% der Fälle, die stationär behandelt werden. Das Auftreten von Rhythmusstörungen wird begünstigt. Für die Diagnosestellung sind EKG-Veränderungen zwar nicht erforderlich, ihre Ausprägung und der Schweregrad der auftretenden Arrhythmien korrelieren jedoch mit der Schweregrad der Myokardaffektion. Aktuell intensiv diskutiert wird COVID-19 als Ursache von Myokarditiden. Auch nach einer Impfung wurden vereinzelt leichte Formen einer Myokarditis beobachtet.

Bei einer Myokarditis liegt meistens eine Virusinfektion des Myokards vor. Es handelt sich typischerweise um Infektionen mit kardiotropen Viren, insbesondere Entero-, Adeno-, Parvo-, B19- und Herpesviren. Auch in Zusammenhang mit einer COVID-19-Infektion kann es zu einer Myokarditis kommen. Leichte Verlaufsformen wurden auch nach Impfungen beobachtet.

 

Eine akut verlaufende Myokarditis kann einem akuten Myokardinfarkt mit plötzlich einsetzender Angina pectoris, bedrohlichen Arrhythmien und/oder einer sich innerhalb von wenigen Tagen entwickelnden Herzinsuffizienz ähneln.  In dieser Situation wird von einer fulminanten Myokarditis gesprochen. Bei der Mehrzahl der Myokarditiden sind die Beschwerden aber uncharakteristisch, so dass die Symptome häufig im Zusammenhang mit dem durchgemachten Infekt und nicht als kardial bedingt eingestuft werden.

 

Laborchemisch finden sich initial häufig erhöhte CK-/CK-MB- und Troponin-Werte als Hinweis auf die im Rahmen der Entzündung resultierende Myokardschädigung. Die linksventrikuläre Funktion meistens normal, sie kann aber auch erheblich eingeschränkt sein.

 

Zur eindeutigen Diagnosesicherung ist die Entnahme und Untersuchung von Myokardbiopsien notwendig. Die Magnetresonanztomographie ist in der Diagnostik von Myokarditiden zwar nicht mehr wegzudenken, ihr Stellenwert bei der Diagnosesicherung wird aber heterogen diskutiert.  

 

Im Langzeitverlauf kann eine dilatative Kardiomyopathie resultieren. Die meisten Myokarditiden heilen aber folgenlos aus. Aufgrund der sehr variablen Manifestation sind Aussagen über die Inzidenz von Myokarditiden nicht möglich. Die Dunkelziffer dürfte ausgesprochen hoch sein.

EKG

Bei Patienten, die wegen einer Myokarditis stationäre behandelt wurden, fanden sich in über 90% der Fälle EKG-veränderungen (Chen et al. 2020). Die EKG-Veränderungen sind allerdings unspezifisch (siehe auch Kapitel Myokarditis). Es finden sich

  • ST-Hebungen und abnorme Q-Zacken (> 40 ms) im Sinne eines Pseudoinfarkt-Musters (ca. 40%)
  • T-Wellen-Negativierungen  (ca. 60%) und
  • fluktuierende ST-Streckensenkungen.

Nicht selten geben die unspezifischen elektrokardiographischen Veränderungen, insbesondere die Infarkt-ähnlichen Muster, die oft von pektangiformen Beschwerden und Erhöhungen der Herzenzyme begleitet werden, Anlass zur Durchführung einer Koronarangiographie. Die Koronararterien sind aber typischerweise unauffällig. Bei der weiterführenden Diagnostik ergibt sich die Diagnose. Die ST-Hebungen sind demnach in dieser Situation kein Hinweis auf eine Ischämie, sondern sind als Zeichen der myokardialen Entzündung (auch mit begleitender Affektion des Perikards) zu werten. Die ST-Hebungen bilden sich innerhalb weniger Tage zurück. Es kann zu einer vollständigen Normalisierung der ST-Strecke oder einer dann meistens länger persistierenden T-Wellen-Negativierung kommen. Bei einer schweren Perimyokarditis können ST-Hebungen von bis zu 1 cm resultieren.

 

Bei schwerer Myokardbeeinträchtigung kann es zu atrioventrikulären Leitungsstörungen (bis hin zum AV-Block III. Grades) und einer QRS-Verbreiterung bis hin zu Schenkelblockierungen kommen. Auch eine neu auftretende Niedervoltage spricht für eine schweren Verlauf; sie kann auch in Zusammenhang mit einem Perikarderguss stehen, der sich in geringer Ausprägung oft findet.

Merke: Art und Ausmaß der auftretende EKG-Veränderungen und Arrhythmien korrelieren mit dem Schweregrad der Myokarditis. 

Abb.: Schwere akute Perimyokarditis. 68-jähriger Patient. ST-Hebungen finden sich in I, II, III, aVL und aVF sowie in V3 bis V6. Die ST-Hebungen in V4 und V5 sind gigantisch. Dieses Muster ist nicht mit einem koronaren Versorgungstyp vereinbar. In der akut durchgeführten Koronarangiographie (mit Myokardbiopsie) ergaben sich dementsprechend normale Koronararterien. Die linksventrikuläre Ejektionsfraktion betrug 40 %. Zusätzlich liegt ein nicht vorbeschriebener Rechtsschenkelblock vor. 

Arrhythmien

Es gibt keine für die Myokarditis typische Herzrhythmusstörung. An eine Myokarditis sollte aber gedacht werden, wenn in jungen Jahren, ohne eine Anamnese für eine strukturelle Herzerkrankung aber mit evtl. Abgeschlagenheit und einem erst kurz zurückliegenden Infekt, ein höhergradiger AV-Block auftritt. Die atrioventrikuläre Leitungsstörungen können eine temporäre Elektrostimulation notwendig machen. Sie bilden sich aber in den meisten Fällen innerhalb weniger Wochen zurück. 

 

Atriale oder ventrikuläre Extrasystolen sind häufig. Neu dokumentierte so genannte idiopathische ventrikuläre Extrasystolen vom rechtsventrikulären Ausflusstrakttyp (mit Rechtsabweichung der QRS-Achse und Linksschenkelblock) sprechen aber nicht für eine Myokarditis.

 

Lebensbedrohliche ventrikuläre Tachyarrhythmien (ein überlebter plötzlicher Herztod, eine anhaltende Kammertachykardie) können Erstmanifestation einer Myokarditis sein, in diesen Fällen liegt letzterer meistens in schwerer Ausprägung vor. Bei plötzlichen Todesfällen in Zusammenhang mit Sport scheint die akute Myokarditis eine wichtige Rolle zu spielen. Bei Patienten, die sich mit anhaltenden Kammertachykardien präsentieren, findet sich im kardialen MRT oft ein ausgeprägtes "late enhancement". Kammerflimmern bei Myokarditis kann auch Bradykardie-getriggert sein. 

Klinische Bedeutung des EKGs bei Myokarditis

Das EKG sollte bei einer Myokarditis regelmäßig kontrolliert werden. EKG-Veränderungen sind häufig. Sie sind zwar für die Diagnosestellung nicht notwendig, ihr Auftreten ist aber nicht selten wegweisend.

Literatur