Katecholaminerge polymorphe Kammertachykardien (CPVT)

Das Krankheitsbild Katecholaminerge polymorphe Kammertachykardien (engl. catecholaminergic polymorphic ventricular tachycardia, CPVT) ist durch auf genetischer Grundlage bevorzugt bei adrenerger Aktivierung (bei körperlicher und/oder seelischer Belastung) auftretende, nicht-anhaltende oder anhaltende bidirektionale oder polymorphe Kammertachykardien charakterisiert, die zu Synkopen oder gar einem plötzlichen Herztod führen können. Die Prävalenz wird auf etwa 1:10.000 geschätzt. Die Erstmanifestation kann in jedem Lebensalter erfolgen, bevorzugt sind Kinder und Jugendliche betroffen. Mehrere ursächlichen Gene wurden beschrieben; am häufigsten ist das Gen für den kardialen Ryanodin-Rezeptor betroffen. Strukturelle Veränderungen des Herzens sind nicht Teil der Erkrankung. Da die Anamnese Patienten mit einem angeborenen langen QT-Syndrom ähnelt (Synkopen unter physischer oder psychischer Belastung) kommt es nicht selten zu Fehldiagnosen.

EKG

Das Standard-EKG ist gänzlich normal, besonders auch in Hinblick auf das QT-Intervall. Auch bezüglich der Herzfrequenz ergeben sich keine Besonderheiten. Diagnostisch wegweisend sind unter erhöhter adrenerger Aktivität auftrende Rhythmusstörungen.

Spontane Arrhythmien

Während erhöhter adrenerger Aktivität treten ventrikuläre Extrasystolen auf, es kommt zu Extrasystolen und nicht-anhaltenden ventrikulären Tachykardien mit einer von Schlag-zu-Schlag um 180 Grad wechselnder QRS-Achse (=biventrikuläre Tachykardien). Diese Form der Kammertachykardie ist pathognomonisch für die Erkrankung. Ein Übergang in Kammerflimmern kann erfolgen. 

EKG Bidirektionale Kammertachykardie

Abb.: Bidirektionale Kammertachykardie (Brustwandableitungen, Papiervorschub 50 mm/s). Der QRS-Vektor wechselt von Schlag-zu-Schlag. Rechts von der Bildmitte kommt es aufgrund von Extrasystolen zu Fusionsschlägen; die bidirektionale Kammertachykardie läuft weiter.

Belastungs-EKG

Bei CPVT dient das Belastungs-EKG der Provokation der typischen Rhythmusstörungen. Das Belastungsprotokoll sollte so modifiziert werden, dass der Patient längere Zeit bei einer Frequenz von ca. 120-140/min verbleibt, um gewissermaßen den Rhythmusstörungen eine Chance zur Manifestation zu geben. Bei zu schneller Steigerung der Belastung mit schnellem Frequenzanstieg zu Maximalfrequenzen kann es vorkommen, dass dieser kritische Frequenzbereich zu schnell durchschritten wird und Arrhythmien ausbleiben. Belastungs-EKGs bei Verdacht auf katecholaminerge Kammertachykardien sollten unter Anwesenheit eines Arztes, der in der kardio-pulmonalen Reanimation geschult ist, durchgeführt werden.

Belastungs-EKG Bidirektionale Kammertachykardie

Abb.: Belastungs-EKG bei einer 29-jährigen Patientin mit genetisch gesicherter CPVT. Unter Belastung (Herzfrequenz ca. 140 Schläge/min) treten ventrikuläre Extrasystolen auf. Der Pfeil markiert eine kurze Sequenz mit typischer 180 Grad-Vektordrehung. Ein solcher Befund ist als pathognomonisch für CPVT anzusehen. 

Differenzialdiagnosen

Biventrikuläre Kammertachykardien sind ausgesprochen selten. Sie können in Zusammenhang mit einer Digitalisintoxikation beobachtet werden. In Einzelfällen wurde auch ein Auftreten auch in Zusammenhang mit einer akuten Myokarditis, einem akuten Myokardinfarkt oder kardialen Tumoren beschrieben. Eine wichtige Differenzialdiagnose,  wenn auch selten zutreffend, ist das Anderson-Tawil-Syndrom (langes QT-Syndrom Typ 7). Neben Rhythmusstörungen wie biventrikulären Tachykardien oder auch polymorphen Kammertachykardien bis hin zu Kammerflimmern finden sich hierbei diverse Dysmorphien und periodisch auftretende Muskelparalysen.

Diagnostische Wertigkeit des EKGs

Die EKG-Dokumentation der typischen Rhythmusstörungen (biventrikuläre Tachykardien) ist  diagnostisch wegweisend.  Oft halten diese Arrhythmien nur kurz an; schon einzelne unter Belastung auftretende Extrasystolen und wenige Couplets mit alternierender QRS-Achse (!) können bei entsprechender Klinik (Synkopen, plötzliche Todesfälle in der Familie)  dazu Anlass geben, eine gezielte genetische Diagnostik zu veranlassen. Das Belastungs-EKG wird zur Überprüfung der Wirksamkeit medikamentöser Therapiemassnahmen (Betablocker, Flecainid) eingesetzt. Bei Nachweis symptomatischer Arrhythmien erfolgt in der Regel die Implantation eines automatischen Kardioverters/Defibrillators.

Literatur (frei zugänglich im Internet)

Links

  • Polymorphe katecholaminerge Kammertachykardien bei Orphanet (Datenbank zu seltenen Krankheiten und Medikamenten zur Behandlung seltener Krankheiten; wird unter französischer Federführung mit Förderung durch die Europäische Union betrieben).