Familiäre progressive kardiale Leitungsstörungen

Unter familiären progressiv verlaufenden kardialen Leitungsstörungen (engl. inherited progressive cardiac conduction disorders, inherited PCCDs) werden Leitungsstörungen im AV-Knoten und/oder im spezifischen ventrikulären Reizleitungssystem verstanden, die auf Mutationen von z. B. Genen beruhen, die entweder für kardiale Ionenkanäle kodieren, oder die eine Rolle bei  Regulierung der Funktion von Ionenkanälen spielen. Leitungsstörungen bedingt durch eine schwere Autoimmunerkrankung der Mutter (z. B. ein systemischer Lupus erythematodes) und andere erworben Ursachen für transiente Leitungsstörungen (Medikamente, Toxinwirkungen, Elektrolytstörungen) müssen ausgeschlossen werden. Nach den Erstbeschreibern wird die Erkrankung auch Lev-Leneggre-Erkrankung genannt. 

Die Verdachtsdiagnose ergibt sich in Zusammenhang mit einem (oft familiär gehäuften) frühen Auftreten (vor dem 50. Lebensjahr oder auch angeboren) von AV-Blockierungen und/oder ventrikulären Leitungsstörungen. In diesen Fällen sollte eine genetische Diagnostik erfolgen, um die Verdachtsdiagnose zu erhärten. Zahlreiche potenzielle ursächliche Gene wurden gefunden. Eines der ersten Gene, die zu progressiven Leitungsstörungen führen können, war SCN5A.  Dieses Gen kodiert für den schnellen Natrium-Einwärtsstrom - eine Überlappung mit anderen durch Mutationen in diesem Gen bedingten Erkrankungen (langes-QT-Syndrom, Brugada-Syndrom) ist nicht selten. Die Vererbung erfolgt autosomal dominant mit unvollständiger Penetranz und variabler Expressivität. 

EKG

Es finden sich alle Formen von atrioventrikulären und ventrikulären Leitungsstörungen. Besonders häufig liegen ein Rechtsschenkelblock und eine QRS-Verbreiterung vor. Letztere verläuft progredient und ist nicht selten auch mit einer PQ-Intervallverlängerung assoziiert. 

Spontane Arrhythmien

Intermittierend auftretende oder permanente komplette Leitungsblockierungen können zu Schwindel und/oder Synkopen führen. In Zusammenhang mit einer Überlappung mit anderen vererbten Arrhythmiesyndromen können prognostisch bedeutsame ventrikuläre Arrhythmien auftreten. 

Differenzialdiagnosen

Differenzialdiagnostisch kommen alle anderen Erkrankungen in Frage, die zu kardialen Leitungsstörungen führen können. Auch allein altersbedingt können solche Störungen auftreten. Bei der differenzialdiagnostischen Abklärung sind das frühe Auftreten (vor dem 50. Lebensjahr) und eine oft nachweisbare familiäre Häufung besonders wichtig. 

Diagnostischer Stellenwert des EKGs

Das EKG dient der Diagnosestellung und der Verlaufskontrolle. Letztere sollte relativ engmaschig erfolgen, da die Veränderungen progredient verlaufen. Schwindel und Synkopen können auf intermittierende höhergradige atrioventrikuläre Blockierungen oder auch Asystolien hinweisen. 

Literatur (frei zugänglich im Internet)

Links

  • Familiäre progressive kardiale Leitungsstörungen bei Orphanet (Datenbank zu seltenen Krankheiten und Medikamenten zur Behandlung seltener Krankheiten; wird unter französischer Federführung mit Förderung durch die Europäische Union betrieben).